Besuch in der Gosteli-Stiftung, dem Archiv der Geschichte der Schweizer Frauenbewegung

Silvia Bühler, Monika Bill, Ladina Fessler und Sabine Käser gaben uns in einem Film eindrucksvoll Einblicke in das umfangreiche Archiv. In einem zweiten Teil erhielten wir einen Streifzug durch die Geschichte des Kampfs um das Frauenstimmrecht mit Dokumenten aus den Beständen.

 

Die Gründerin Mathe Gosteli war selbst aktiv in der Frauenbewegung und arbeitete 1971 massgeblich an der Stimmrechtsfrage mit. Sie realisierte, dass viele Dokumente aus der Frauenbewegung verloren zu gehen drohten und richtete aus diesem Grund die Stiftung und das Archiv ein. Ihr Motto lautete: Ohne Kenntnis der Geschichte, gibt es keine Zukunft. Nach diesem Grundsatz werden noch heute die Geschichte und Dokumente im Archiv gepflegt.

 

Das Archiv zur Geschichte der Schweizer Frauenbewegung ist sehr vielfältig und umfasst rund 450 Bestände aus privater Provenienz (Archive von Frauenvereinen und -verbänden, Nachlässe einzelner Frauen, die eine bedeutende Rolle in Politik, Wirtschaft, Bildung oder Kultur gespielt haben). Aufzufinden sind zum Beispiel handschriftlich verfasste Verbandsdokumente wie Protokolle von Generalversammlungen, Manuskripte, Tagebücher oder Briefe. Das älteste Dokument im Archiv, ein Eheversprechen, stammt aus dem Jahr 1779 und gehört zu einem Familienarchiv einer Journalistin und Frauenrechtlerin. Die Nachlässe und Archive unterscheiden sich sehr in Bezug auf Materialität, Zustand und Ordnung. Im Archiv werden aber nicht nur Flachwaren und Papierdokumente aufgehoben, sondern beispielsweise auch Kleiderbügel aus dem Bestand des Berner Stimmrechtsvereins, eine Druckerpresse, Keramik, Kleider oder aktuelle Zeitzeugnisse wie ein Transparent des Frauenstreiks von 2019. Die Archivalien werden immer heterogener und digitaler.

 

Nebst dem Archiv gibt es auch eine umfangreiche Fachbibliothek, welche rund 11’000 Bücher in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch umfasst. Zu finden ist vor allem wissenschaftliche Literatur. Das Themenspektrum ist breit gefächert und reicht von Hausarbeit über Sexualität bis zu Gender Studies und Büchern zur internationalen Frauenbewegung. In der Broschürensammlung findet man vor allem graue Literatur, die zum Beispiel von den Frauenorganisationen selbst herausgegeben wurde und dementsprechend im Buchhandel nicht erhältlich war. Die Bibliothek wächst weiter, so werden beispielsweise auch Maturaarbeiten oder Masterarbeiten in den Katalog aufgenommen und sind schliesslich über swisscovery auffindbar.

 

Die Sammlung der biografischen Notizen umfasst über 10’000 Dossiers und besteht aus Zeitungsartikeln und Lebensläufen über verschiedenste Frauen aus den unterschiedlichsten Sparten. Die Sammlung wird laufend aktualisiert und neue Dossiers werden angelegt oder bestehende ergänzt. In der Diskussionsrunde kam die Frage auf, wie denn «neue Frauen» ausgewählt werden. Die Herkunft der Frau spielt grundsätzlich keine Rolle. Der Fokus liegt aber auf Schweizerinnen aus Politik, Wirtschaft, Kirche oder Autorinnen. Man erkennt erst später, ob das Dossier an Wichtigkeit gewinnt, oder ob es vielleicht nur aus einem Zeitungsartikel bestehen bleibt. Bei der Frage, welche Nachlässe aufgenommen werden, ist entscheidend, dass Bestände nicht auseinandergerissen werden. Nachlieferungen zu bestehenden Dossiers werden aufgenommen und ergänzt. Es macht zudem Sinn, dass Unterlagen nahe am Ort des Geschehens archiviert werden.

 

Zum Streifzug durch die Geschichte des Kampfs um das Frauenstimmrecht bietet die Gosteli-Stiftung jeden Monat eine Spezialführung mit dem Titel „Der lange Weg an die Urne“ an. Der Weg nach Worblaufen ist nach diesen ersten Einblicken unbestritten ein Besuch wert.

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