- 23. September 2021
Fachveranstaltung zum Thema Digitalisierung
Alle mit Covid-Zertifikat ausgerüstet, trafen wir uns am Morgen zu Kaffee und Gipfeli in der Cafeteria der Universitätsbibliothek Basel (UB). Herr Ueli Dill, Bereichsleiter Historische Sammlungen, legte dann auf originelle Art und Weise dar, wie der Bestand der UB über die Zeit zu Stande gekommen ist: Wie ein breit verzweigtes Flusssystem, z.B. der Amazonas.
Seit ihrer Gründung im 15. Jahrhundert «flossen» immer wieder bedeutende Sammlungen in den UB-Bestand, v.a. von Klosterbibliotheken. Heute nun stellt sich die Sisyphusarbeit, den riesigen Bestand zu digitalisieren. Ueli Dill verglich diesen Prozess mit einem Rangierbahnhof, wo eine enorme Logistik und viel Koordinationsarbeit dahinterstecken.
Mit Herrn Dills engagierten Mitarbeitenden durften wir dann verschiedene Räume besuchen und den Angestellten bei der Arbeit zuschauen. Es wurde dabei deutlich, was ein digitaler Anlass nicht ersetzen kann: Informelle Gespräche, etwas richtig anschauen können, haptische Eindrücke usw. So wurde z.B. im Restaurierungsraum Japanpapier herumgereicht, das hauchdünn und doch sehr resistent ist. Im Digitalisierungsraum wurden uns verschiedene Schwierigkeiten präsentiert, mit denen aber die UB dank ihres Know-hows umzugehen weiss: Digitalisierung von Dokumenten mit Goldfarbe, sehr kleine Bücher, sehr schwere Bücher, gewölbtes Papier, Ölbilder oder auch Schiefertafeln mit Kreideschrift. Die Teilnehmenden waren sichtlich begeistert und hätten wohl noch den ganzen Nachmittag in der UB verbringen können.
Dann hätten wir jedoch den nicht weniger begeisternden Besuch am Nachmittag im Bürgerspital Basel – bsb verpasst. Stefan Kilchhofer, der charismatische Betriebsleiter der Mikrografie, begrüsste uns herzlich. Beim folgenden Mittagessen ergaben sich spannende Diskussionen, z.B. über die Frage, was überhaupt digitalisiert werden sollte. Wie gelingt eine sinnvolle Priorisierung? Welche Kriterien sollten angewendet werden? Für das kulinarisches Überraschungsmoment sorgte ein Rosmarin Panna Cotta mit einer Chili, die gar keine Chili war.
Danach führten uns Herr Kilchhofer und sein Team in vier Gruppen durch ihren spannenden Betrieb. In der Lehrwerkstatt wurde uns das grösste Projekt vorgestellt, welches die Mikrografie bisher verwirklichen durfte: Die Digitalisierung der Grundbuchämter des Kantons Bern – 12 Mio. Scans in zwei Jahren. Im Raum mit den Scannern für Grossformate stand u.a. ein XY-Scanner, welcher jedes einzelne Pixel eines Bildes erfasst. Dies kann für ein Bild im A3 Format schon mal 2.5 Stunden dauern, was sich aber beispielsweise für Luftaufnahmen lohnt, wenn man jedes Detail sehen will. Im Buchscannerraum war es kühl und dunkel, da die speziellen Geräte dies so erfordern. «Telefonbücher for Millenials» heisst dort das Fokusprojekt, indem das PPT Archiv digitalisiert wird. Damit Millenials (Jahrgang 2000 und jünger) wieder wissen, was ein Telefonbuch ist. Im Bereich Mikrofilm werden Farbbilder auf schwarzweissen Mikrofilm gespeichert (Farb-Mikrofilme gibt es nicht mehr), da dies momentan das sicherste und langlebigste Speichermedium ist (bis zu 500 Jahre). Durch eine spezielle Speichermethode können die Bilder später bei Bedarf wieder in Farbbilder umgewandelt werden.
Kilchhofer und sein Team digitalisieren aber nicht nur Dokumente, sondern versuchen, ihre ganzen Arbeitsprozesse zu digitalisieren bzw. automatisieren. Beispielsweise will man so weit kommen, dass der Workflow automatisch verifiziert, dass nur Mitarbeitende mit einem gültigen Arbeitszertifikat die Arbeit ausführen dürfen. Dieser Workflow ist sehr variabel auf die Vorgaben der Kundenprojekte konfigurierbar und unterstützt die Mitarbeitenden der Mikrografie in individuell angepassten Arbeitsmethoden.
Nach einer Abschlussrunde in der Cafeteria machten sich die Teilnehmer per ÖV auf die Heimreise. Diese dauerte wegen einer Panne in Olten für einige wohl etwas länger. Dafür konnte man eine glasklare Fernsicht in die Berge geniessen oder nochmals gedanklich diesen spannenden Tag Revue passieren lassen.