Mitgliederversammlung und Führung Chorherrenstift St. Michael in Beromünster

Es gibt den Stift, mit dem man schreibt und zeichnet. Der Stift ist in der Schweiz auch eine etwas altmodische Bezeichnung für einen Lehrling. Das Stift bedeutet aber ganz etwas anderes: Eine religiöse Gemeinschaft mit Geistlichen (Stiftsherren), die einer bestimmten Kirche angesiedelt sind. Zu einem Stift gehört ein Grundstück mit mehreren Gebäuden.

 

Die Mitgliederversammlung von SIGEGS fand am 17.06.2021 in einem modern renovierten Gebäude des Chorherrenstifts St. Michael in Beromünster statt. Zu diesem prachtvollen Stift gehören neben der Stiftskirche auch eine Bibliothek und die Chorherrenhäuser.

 

 

 

Nach der Versammlung führte Jakob Bernet, Stiftsbibliothekar des Chorherrenstifts, die SIGEGS-Mitglieder durch die Stiftskirche und die Stiftsbibliothek. Die imposante katholische Kirche wurde im Jahre 1036 erbaut. An der Frontseite erinnern zahlreiche Wappen an die verstorbenen Chorherren. Die dreischiffige romanische Basilika ist mit drei Orgeln ausgestattet, welche heute immer noch alle bespielt werden. Neben zwei grossen Deckenbildern von Joseph Ignaz Weiss springt einem sofort die prächtig verzierte Kanzel mit den vier Köpfen ins Auge: Sie sollten das Evangelium in alle Kontinente hinaustragen, wie wir von Herrn Bernet erfuhren.

Weiter folgten wir Herrn Bernet in die Bibliothek. Dort ging es eine Holztreppe hoch, die so laut knarrte, dass sich das Gebäude als Drehort für einen Horrorfilm eignen würde. Der Stiftsbibliothekar machte uns auf ein Gemälde aufmerksam, das den Chorherren Johann von Baldegg zeigt, dem im Alter angeblich dritte Zähne und schwarze Haare aus der Glatze wuchsen. Wenn’s nicht wahr ist, dann ist es gut erfunden. Der Chorherr trägt auf dem Bild eine sog. Almutium, eine Art Pelzmantel. Zum Glück wurde dieses Kleidungsstück nur von der Vesper (1. November) bis Ostern getragen, und nicht an einem heissen Sommertag wie heute, dachten vielleicht einige.

Mit adretten weissen Handschuhen zeigte uns Jakob Bernet im Lesesaal einige Schmankerl, z.B. ein schweizerisches Idiotikon (Wörterbuch) von Franz Joseph Stalder. Ebenso ein Werk von Immanuel Kant und die Bibel von Johannes Dietenberger. Im 16. Jahrhundert war dies DIE Bibel im katholischen Raum, mit über 70 Auflagen sozusagen ein Bestseller. Auch das älteste Buch der Schweiz befindet sich im Besitz des Chorherrenstifts St. Micheal, allerdings im Kulturgüterschutz-raum unterhalb der Kirche. Der Drucker Helias Helye druckte das Buch im Jahr 1470 in Beromünster. Auffallend im Lesesaal waren auch die zwei alten Globen (1730), der Erd- und der Himmelsglobus, beide säuberlich mit Schutzhüllen bedeckt.

Danach zeigte uns Jakob Bernet den neuen Bestand der Bibliothek. Diese Bücher können auch tatsächlich ausgeliehen werden. Jene, die nicht klaustrophobisch veranlagt sind, konnten dabei z.B. musikalische Handschriften in Einbänden bewundern. Die Arbeit wird dem Stiftsbibliothekar nicht so schnell ausgehen: Noch ist nicht alles katalogisiert, viele Bücher stehen noch in Kisten herum.

 

Nach dieser interessanten und kompetenten Führung begab sich die Gruppe auf eine Wiese auf dem Stiftsareal, wo der Apéro stattfand. Dank der Schatten spendenden Linde war es an diesem lauschigen Plätzchen sogar an einem so heissen Nachmittag sehr angenehm. Mit einem Glas Stiftswein konnte man sich nun angeregt austauschen. Nach viel Homeoffice und kaum sozialen Events genossen die Teilnehmenden diesen Anlass umso mehr.

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